Wie wir Ihnen bereits in einem vorhergehenden Rundschreiben mitgeteilt haben, ist mit 2015 die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft (Reverse Charge gemäß Art. 17, Abs. 6, DPR 633/1972) im Bereich der MwSt. wesentlich ausgedehnt worden.
Erstmals hat sich nun die Agentur der Einnahmen mit dem Rundschreiben 14/E vom 27.03.2015 dazu geäußert und erste, lange überfällige Klarstellungen dazu veröffentlicht. Im Folgenden finden Sie nochmals eine Zusammenfassung der aktuellen Rechtslage:
ALLGEMEINES
Die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Auftraggeber findet seit Jahren insbesondere bei Unterwerkverträgen im Baugewerbe Anwendung.
Mit 2015 gilt die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auch für Reinigungen, Abbrucharbeiten, Installationen von Anlagen und Fertigstellungen. Wichtig dabei ist, dass es sich um Arbeiten an Gebäuden handelt und die
Leistungserbringung gegenüber MwSt.-Subjekten erfolgen muss. Ist dies nicht der Fall, so ist auch weiterhin mit MwSt. abzurechnen.
Bei Rechnungslegung ohne MwSt. ist der Verweis „Umkehrung der Steuerschuldnerschaft auf den Auftraggeber gemäß Art. 17, Abs. 6, Buchstabe a-ter“ auf den Rechnungen anzugeben.
DEFINITION GEBÄUDE
Das Reverse Charge ist nur für Leistungen an Gebäuden anzuwenden. Also fallen nicht darunter: Grundstücke, Parkplätze, Schwimmbäder und Gärten. Eine Ausnahme gilt, wenn diese einen Teil des Gebäudes darstellen, z.B. ein
Schwimmbad oder ein Garten auf der Dachterrasse, eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach.
BETROFFENE LEISTUNGEN
Zur Feststellung ob eine Leistung unter das Reverse Charge laut Art. 17, Abs. 6, Buchstabe a-ter, DPR 633/1972 fällt, sind die Tätigkeitskodexe ATECO 2007 heranzuziehen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Leistungserbringer einen dieser Tätigkeitskodexe gemeldet hat, sondern ob die erbrachte Leistung einem dieser Tätigkeitskodexe zuzuornden ist. Im Einzelnen sind folgende Tätigkeiten betroffen:
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Ateco-Code |
Beschreibung |
Reinigung |
81.21.00 |
Allgemeine Gebäudereinigung (nicht spezialisiert) |
81.22.02 |
Sonstige spezielle Reinigung von Gebäuden und Industrieanlagen und -maschinen |
Abbrucharbeiten |
43.11.00 |
Abbrucharbeiten (nur Gebäude, ausgenommen andere Bauwerke) |
Installationsarbeiten |
43.21.01 |
Installation von elektrischen Anlagen in Gebäuden oder anderen Baukonstruktionen (einschließlich Instandhaltung und Reparatur) |
43.21.02 |
Installation von elektronischen Anlagen (einschließlich Instandhaltung und Reparatur)
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42.22.01 |
Wasser-, Heinzung- sowie Klimainstallation (einschließlich Instandhaltung und Reparatur) in Gebäuden oder anderen Baukonstruktionen |
43.22.02 |
Gasinstallation (einschließlich Instandhaltung und Reparatur) |
43.22.03 |
Installation von Brandlöschanlagen (einschließlich von integrierten Anlagen, Instandhaltung und Reparatur) |
43.29.01 |
Installation, Reparatur und Instandhaltung von Aufzügen und Rolltreppen |
43.29.02 |
Wärme- und Schallisolierung und Isolierung gegen Schwingungen |
43.29.09 |
Sonstige Bauarbeiten und Installation (nur soweit sie Gebäude betreffen) |
Fertigstellung von Gebäuden |
43.31.00 |
Verputz- und Stuckarbeiten |
43.32.01 |
Einbau von Panzerschränken, Tresoren, Panzertüren |
43.32.02 |
Einbau von Blendrahmen (Türen, Fenster), Ausstattungen, Zwischendecken, beweglichen Trennwänden u.Ä.; (der Einbau von Möbeln ist ausgenommen) |
43.33.00 |
Boden- und Wandverkleidungen |
43.34.00 |
Anstrich und Einbau von Glas |
43.39.01 |
Nicht spezialisierte Bautätigkeiten (Maurerarbeiten) |
43.39.09 |
Sonstige Fertigstellungsarbeiten an Gebäuden |
WEITERE KLARSTELLUNGEN
Vertragsverhältnis |
Das neue Reverse Charge gilt unabhängig vom Vertragsverhältnis (also nicht nur bei Unterwerkverträgen. |
Reparaturen und
Instandhaltung |
Eine wichtige Klarstellung betrifft die Reparaturen und Instandhaltungen im Zusammenhang mit den obigen Tätigkeiten. Diese fallen nun eindeutig auch in den Bereich Reverse Charge. |
Warenlieferung
mit Montage |
Bei Warenlieferung mit Montage findet das Reverse Charge keine Anwendung, da die Montage nur eine Zusatzarbeit darstellt. Es bleibt ein Verkauf von Waren. |
Landwirte und
Vereine |
Befreite Landwirte und Vereine, die für das Pauschalsystem gemäß Art. 398/1991 optiert haben, sind von der Anwendung des Reverse Charge ausgeschlossen. |
Verträge mit
unterschiedlichen
Leistungen |
Bei Vorliegen eines Gesamtauftrages, welcher eine Reihe von Arbeiten umfasst, die nur teilweise dem Reverse Charge unterliegen, sind die Leistungen getrennt zu verrechnen (ein Teil mit MwSt., ein Teil mit Reverse Charge)
Sollte sich eine Trennung als zu schwierig erweisen, kann die gesamte Rechnung mit MwSt. gestellt und auf die Anwendung des Reverse Charge verzichtet werden.
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Pauschalsysteme
von Einzelunternehmern
und Freiberuflern |
Verkauf: Das Reverse Charge wird bei Ausgangsrechnungen nicht angewendet
Einkauf: Da die MwSt. auf den Einkauf nicht absetzbar ist, muss die MwSt. bei Reverse Charge Rechnungen innerhalb des 16. des Folgemonats eingezahlt werden.
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Split payment |
Das Reverse Charge hat bei Leistungen an öffentliche Körperschaften Vorrang gegenüber dem Split Payment, sofern die Leistung eine gewerbliche Tätigkeit der Körperschaft betrifft. Mit öffentlichen Körperschaften ist deshalb vor Rechnungslegung abzuklären, für welchen Bereich die Leistung erbracht wird. |
Verkäufe ohne MwSt.
aufgrund einer
Absichtserklärung |
Gewohnheitsmäßige Exporteure haben die Möglichkeit, durch Vorlage einer sogenannten Absichtserklärung (dichiarazione d'intento) Einkäufe ohne MwSt. zu tätigen. Fallen diese Einkäufe in den Bereich des Reverse Charge, hat das Reverse Charge Vorrang. |
Nicht gewerbliche
Körperschaften |
Wenn nicht gewebliche Körperschaften Leistungen beziehen , welche in den Anwendungsbereich des Reverse Charge fallen und sowohl die nicht gewerbliche als auch die gewerbliche Tätigkeit betreffen, dann muss die Leistung Anhand eines objektiven Kriteriums (z.B. bei Reinigungen anhand der Quadratmeter) aufgeteilt werden.
Der Teil der Leistung, der die gewerbliche Tätigkeit betrifft, unterliegt dem Reverse Charge.
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STRAFEN
Die Agentur der Einnahmen hat eingesehen, dass die Anwendung der neuen Bestimmungen ohne die entsprechenden Klarstellungen, enorme Schwierigkeiten zu Folge hatte. Deshalb hat sie klar gestellt, dass für fehlerhafte Rechnungen bis zum 27.03.2015 keine Strafen erhoben werden.
ÜBERSICHT „REVERSE CHARGE“
Gesetzesbezug |
Betroffene Geschäfte |
Art. 17, Abs. 6, a-ter, DPR 633/1972 |
Werkverträge mit MwSt.-Subjekten für Reinigungen, Abbrucharbeiten, Installationen von Anlagen und Fertigstellungen bei Gebäuden. |
Art. 17, Abs.6, a, DPR 633/1972 |
Unterwerkverträge im Baugewerbe |
BEISPIELE
Folgende Beispiele sollen Ihnen als Orientierung dienen:
Im Anwendungsbereich Reverse Charge gemäß Art. 17, Abs. 6, Buchstabe a-ter, DPR 633/1972
- Ein Reinigungsunternehmen putzt die Büroräume eines Freiberuflers
- Ein Maler streicht die Innenräume oder die Fassade eines Hotels
- Ein Installateur führt eine Reparatur an der Heizungsanlage eines Betriebsgebäudes durch
- Ein Fliesenleger verlegt Fliesen im Bad eines Betriebsgebäudes
- Ein selbständige Monteur nimmt für einen Hersteller von Fenstern den Einbau der Fenster bei seinen Kunden vor
- Eine Baufirma beauftragt einen Elektriker mit der Realisierung einer elektrischen Anlage für ein Betriebsgebäude (trotz Unterwerkvertrag kommt hier Art. 17 Abs. 6, Buchstabe a-ter zur Anwendung, da dieser gegenüber dem bereits bestehenden Reverse Charge im Baugewerbe Vorrang hat)
Nicht im Anwendungsbereich des Reverse Charge gemäß Art. 17, Abs. 6, Buchstabe a-ter, DPR 633/1972
- Ein Türenhersteller liefert und montiert Türen für ein Betriebsgebäude
Rechnung mit MwSt., da eine Lieferung mit Montage nicht in den Anwendungsbereich des Reverse Charge fällt
- Eine Baufirma errichtet eine Lagerhalle für ein Unternehmen
Rechnung mit MwSt., da diese Tätigkeit (41.20.00 Bau von Wohn- und Nichtwohngebäuden) nicht in den Anwendungsbereich des Reverse Charge fällt
- Ein Elektriker wird mit der Errichtung der Beleuchtung eines Betriebsparkplatzes beauftragt
Rechnung mit MwSt., da die Leistung einen Parkplatz und kein Gebäude betrifft